In der Nähe der Stadt Ripon, in einem Waldstück am River Skell steht eine der grössten Klosteranlagen Englands: Fountains Abbey. Diese Klosteranlage blickt auf eine lange Geschichte zurück: Von der Gründung bis zur heutigen Zeit, wo die bemerkenswerte Anlage nur noch als Ruine in einem wunderschönen Park liegt, sind 888 Jahre vergangen.

27. Dezember 1132: Als Richard, ein Abt aus York, mit 12 Mönchen am Ufer des River Skell anlangte, einem Landstrich, den ihnen der Archbishop Thurstan zugewiesen hatte, sehen sie eine verschneite, wilde und kalte Gegend vor sich. Sie waren ja froh endlich aus dem Benediktinerkloster in York gehen zu können. Die Regeln waren wirklich nicht mehr die, die von Benedikt einmal aufgestellt worden waren. Und alle waren sich einig, dass sie endlich wieder nach den alten Regeln leben möchten, im Zusammenspiel mit der Natur, weit weg von den Ablenkungen der turbulenten Welt in York. Der Forst von Herleshowe war nun ihr neues Zuhause. Und Bernard von Clairvaux lehrte sie doch „Du wirst in der Natur etwas finden, was du in Büchern nicht finden wirst – Steine und Bäume lehren dich Lektionen, die du niemals von einem Lehrer in der Schule hören wirst“. Unter Felsvorsprüngen und in kleinen Höhlen werden sie für die nächsten Tage Unterschlupf finden. Direkt verbunden mit der Natur. Und dann wird sich bestimmt eine Möglichkeit finden, eine feste Behausung zu bauen.

1146: Die Mönche stehen vor dem in Flammen stehenden Kloster. Sie können es nicht fassen, dass ihre Kirche geplündert wurde und nach jahrelanger Arbeit nun zerstört wird. Dabei war ihr Start mitten im Winter 1132 nicht leicht. Aber sie haben es geschafft und unter der grossen Ulme eine Hütte gebaut, im Frühjahr dann einen Garten angelegt und Obst und Gemüse später geerntet. Eine kleine Kapelle haben sie errichtet und 1133 sogar die erste Holzkirche erbaut. Schreiner aus der Gegend und die ersten Laienbrüder waren zu ihnen gekommen, um ihnen zu helfen. Mit Hilfe von reichen Bürgern und von Bauern der Gegend, die Ländereien abgegeben haben, wurde das Kloster langsam grösser. 1135 hatte ihr Konvent bereits 35 Mönche und durch den Anschluss an die Zisterzienser waren sie das zweitgrösste Haus in England. Die Zeit war nun reif, um ein steinernes Kloster zu bauen. 1136 haben sie mit dem Bau der Kirche begonnen. Sie haben das in einfacher Kreuzform gebaut, vergleichbar mit anderen Zisterzienserkirchen der Zeit. Auch hier haben wieder Handwerker und Laienbrüder die harte Arbeit übernommen. Und nun die Plünderung… Die Brüder stehen fassungslos daneben und müssen zusehen wie ihre harte Arbeit innerhalb von Stunden von den Flammen zerstört wird. Nur der Betraum blieb halb vom Feuer versehrt.

1170: Die grosse, steinerne Hauptkirche ist fertig! Stolz sehen ungefähr 150 Klosterbrüder mit ihren an die 500 Laienbrüdern auf ihr Werk. Die steinerne Kirche ist um vieles grösser als die alte Kirche. Als Vorbild hat ihnen die Klosterkirche von Riveaulx gedient und mit ihnen haben sie sich fast ein Wettrennen geliefert. Sie haben 16 Jahre harter Arbeit gebraucht und nun kann es weitergehen. Sie wollen eine grosse Klosteranlage errichten ganz nach dem St. Galler Klosterplan, der für die ideale Gestaltung einer solchen steht. Der Kreuzgang wird der nächste Bau sein, gefolgt von weiteren Gebäuden wie Dormitorium, Refektorium, Waschräumen, Küche, Back- und Brauhaus. Es sollen genügend Gebäude für die Laienbrüder zur Verfügung stehen, darin sind sich alle einig. Denn genau durch diese ist das Kloster inzwischen zu gutem Wohlstand gekommen. Schafzucht, Wolle und auch Bleiabbau bringen genügend Geld ein. Ländereien sind inzwischen dazugekommen, so dass sie sich immer weiter ausbreiten können.

26. November 1539: Marmaduke Bradley wird sich bewusst, dass er der letzte Abt von Fountains Abbey ist. Das hat sich schon fünf Jahre vorher abgezeichnet, denn Henry VIII machte sich 1534 selbst zum „Supreme Head (below God) of the church of England“. Damit wurden alle Ländereien, Besitztümer und Wohlstand der Klöster zum royalen Eigentum. Wie alle Klöster konnte es nicht mehr weitergeführt werden. Dabei hat das Kloster im späten 13. und 14. Jahrhundert seinen Höhepunkt in Wohlstand und Ansehen gehabt. Nach über 100 Jahren Bauzeit war die gesamte Klosteranlage fertig gestellt worden. Inklusive des Brau- und Backhauses und den Gästehäusern. Leider hat schlechtes Management des Klosterhaushalts, schlechte Ernten, schottische Raubzüge und nationale Krisen das religiöse Leben überschattet und zu einer Wirtschaftskrise geführt. Die Zahl der Mönche verminderte sich wie das Einkommen. 1380 verzeichnete das Kloster nur noch 34 Mönche und 10 Laienbrüder. Doch trotz der finanziellen Probleme genoss das Kloster weiterhin grosses Ansehen.

Klostervorsteher Marmaduke Huby hat noch voller Enthusiasmus den grossen Turm gebaut. Er sollte auf die erfolgreiche Zukunft von Fountains Abbey hinweisen. Huby’s Tower wurde gebaut, um Eindruck zu schinden. Doch das alles hat nichts geholfen. Das Klosterleben hat hier in Fountains Abbey ein Ende.

Oktober 2018: Mich hatte es überrascht, dass man vom Parkplatz aus das Kloster gar nicht sehen kann. Erst muss man durch das Eingangsgebäude des National Trust, dann noch einen Weg entlang, dann öffnet sich langsam der Blick zwischen den Bäumen auf das Kloster.

Und erst nach und nach wird einem die Grösse der gesamten Anlage bewusst.

Wenn man durch die eindrucksvollen Seitenschiffe der Klosterkirche geht, kann man über die gewaltige Grösse und auch Höhe der Kirche nur staunen.

Huby’s Tower überlebte die Jahr intakt allerdings ohne Treppen, Fussböden, Dach, Glocken und auch des filigrane Werk der Fenster ist leider nicht mehr zu sehen. Aber man spürt noch den Geist der Mönche und kann sich vorstellen wie sie hier singend und betend in der Kirche umherschritten. Von den Aussenanlagen, wie zum Beispiel dem Back- und Brauhaus, sieht man leider nur noch die Reste der Mauern. Aber gerade durch diese wird das Ausmass der Anlage bewusst.

Einen besonderen Eindruck bekommt man beim Spaziergang durch die gesamte Anlage inklusive der Studley Royal Gardens. Die Abbey ging später in Privatbesitz über und wechselte mehrfach den Besitzer. Weitere Gebäude wurden im Laufe der Zeit in der Anlage errichtet. 1716 wurde mit den Arbeiten an der Idee einer neuen Landschaftsgestaltung begonnen. Das gesamte Design stammte von John Aislabie, der sich durch grosse französische Gartenbauer inspirieren liess und den Garten damit prägte. Dazu wurde ein Stück des River Skill als Kanal ausgebaut, ein halbmondförmiger See als Reservoir und geometrische Teiche als Water Gardens angelegt. Ein kegelförmiger Hügel, Tent Hill, wurde für einen wunderbaren Blick kreiert.

Am nordöstlichen Ende wurde ein neuer See im Studley Park angelegt, der über Kaskaden mit dem Kanal verbunden ist und später in den ursprünglichen River Skill zurückfliesst. Der Aufwand der Erdbewegungen war enorm gross. Ungefähr 100 Arbeiter arbeiteten saisonal unter der Leitung von John Simpson.

Die Gebäude des Garten, alle original streng klassisch, wurden erst nach 1732 gebaut und hinzugefügt. Dazu zählen zwei Tempel, Orangerie, Octagon Tower und verschiedene Brücken. Als Aislabie starb war der Garten fast komplett gestaltet. Er steht im Kontrast zu den Ruinen der Abbey, die ein Blickfang am westlichen Ende des Gartens bleiben.

Januar 2020: Nach einigen Tagen Regenfällen bricht ein neuer schöner Tag an und wir entscheiden uns, einen Ausflug nach Fountains Abbey zu machen. Diesmal parken wir auf dem nördlichen Parkplatz. Nach einem Kaffee im Studley Tearoom machen wir einen Spaziergang um den See herum, dann südöstlich an einer Farm vorbei. Die Wege führen zum Teil über Wiesen und sind so aufgeweicht, dass ich bei der Farm tief in den Matsch eingesunken bin und fast meinen Schuh verloren hätte. Aber das gehört zum Ausflug dazu und ein wunderschöner Himmel über uns hat den Tag perfekt gemacht.

Fountains Abbey ist ein sehr empfehlenswerter Ort. Ob es die Klosterruinen sind, die Wasseranlagen oder die Wanderwege, die rings um das Klostergelände führen. Cafés und Tearooms runden das Angebot ab. Es ist sehr gut mit dem Bus erreichbar. Für Autofahrer stehen genügend Parkplätze zur Verfügung. Die Hauptwege des Geländes sind barrierefrei zu begehen. Weitere Informationen bekommt man beim National Trust

Buchtipp und Quelle: „Fountains Abbey – The Cistercians in Northern England“ von Glyn Coppack, Tempus Verlag 2006